Die heimische Sagenwelt Die Zeit der Spinnstuben ist längst vorbei. Moderne Kommunikationsmittel haben das abendliche Geschichtenerzählen ersetzt. Das persönliche Gespräch in den Familien und zwischen alt und jung tritt oft in den Hintergrund. Kein Wunder, dass die Sagen der Heimat, die zum Erzählgut vieler Generationen gehörten, kaum noch bekannt sind. Sagen enthalten zumeist ein Körnlein Wahrheit, wenn auch die Jahrhuderte ihr Rankenwerk um den historischen Kern geschlungen haben. Der Schimmelreiter Die Südgrenze des Tales wird von dem Höhenzug gebildet, der sich vom Rohrhardsberg über Braunhörnle, Tafelbühl zum Hörnleberg erstreckt. Die Nordabhänge von Braunhörnle und Tafelbühl schließen den Zinken Rauchengrund ab. Von hier aus geht folgende Sage: Wie es heute noch Sitte ist, wallfahrten auch früher schon die Yacher jährlich auf den Hörnleberg. Das tat auch eines Tages ein Bauer aus dem Rauchengrund. Er stieg den Hang zum Tafelbühl hinauf und wanderte dann den Höhenweg entlang zur Hörnlebergkapelle. Um sich noch vor dem Gottesdienst zu stärken und etwas zu erholen, kehrte er nun in dem damals sich dort befindenden Wirtshaus ein. Bei Speise und Trank sowie der anregenden Unterhaltung mit anderen Gästen war der Zweck der Wanderung nur zu schnell vergessen. Karten kamen auf den Tisch und bald war ein flottes Spiel im Gange. Stunde um Stunde verrann. Während andere schon längst ihr Vieh fütterten, saßen diese Unentwegten noch immer am Spieltisch. Die Nacht brach herein; aber noch war keine Trennung möglich. Als nun doch die Trennungsstunde schlug, mußte man mit leerem Beutel und schwerem Kopf den Heimweg antreten. Si ging nun unser Wallfahren mutterseelenallein den Weg zurück, auf dem er gekommen war. Am Tafelbühl, wo er sonst sein Pferd bestieg, erwartete ihn eine Überraschung. Da stand ein Schimmel, der dem seinen ganz ähnlich war. Voll Freude, nicht mehr zu Fuß weiterwandern zu müssen, bestieg er ihn. Mit Windesschnelle gings nun den Rauchengrund hinab, dass es dem Reiter fast den Atem nahm, und er Mühe hatte, sich auf dem Tier zu halten. Mit solcher Geschwindigkeit hatte der Bauer noch nie seinen Hof erreicht. Vor der weit vorspringenden Dachtraufe machte es halt. Dazu war es so unruhig, dass der Reiter nicht einmal absteigen konnte. In seiner Not rief der Bedrängte seiner Frau, ihm zu helfen. Ganz verwundert fragte diese, wie er zu dem Schimmel komme, da der ihre ja im Stall stehe. Jetzt wurde es dem Bauern immer merkwürdiger zu Mute. Um nun endlich Klarheit über diesen Spuk zu bekommen, holte die Frau aus der Kammer Weihwasser. Sie war jedoch kaum unter der Türe wieder erschienen, als das Roß blitzschnell kehrt machte und mit seinem Reiter im nahen Walde verschwand. Nachdem der Bauer auf dem Tafelbühl abgesetzt worden war, konnte keine Spur des Tieres mehr festgestellt werden. Der geplagte Mann musste nun doch zu Fuß nach Hause wandern. Er soll seitdem nie mehr beim Kartenspiel gesessen oder auf deinem fremden Pferd geritten sein. Zum Gedächtnis wurde auf dem Tafelbühl eine Tafel angebracht, die auch dem Wanderer von dieser Begebenheit Kunde gibt. Sage vom Schloßbühl Wo Rauchengrund und Tränklesgrund bei der sogenannten neuen Brücke zusammentreffen, liegt, sich am Katzenbühl anlehnend, eine kegelförmige Erhöhung (563) mit dem Namen Schloßbühl. Sie ist fast ganz bewaldet. Vor einem Jahrtausend soll hier ein Schloß gestanden haben. Überreste sind jedoch keine mehr zu finden. Man berichtet nur, daß der Besitzer, ein grausamer und habgieriger Ritter, seine Schätze in einer Kiste in die Erde vergraben habe, damit sie niemand auffinde. Da aber der Eigentümer plötzlich fliehen und alles im Stiche lassen mußte, blieb die Kiste zurück. Heute soll nun auf dem Gold in der Erde ein schwarzes Hündchen als Wächter sitzen. Jedes Jahr kommt 4es einmal an die Oberfläche und zwar am 6. März. Es sonnt sich, springt auf dem Berg herum und kehrt nachher wieder auf sein Lager zurück. Es soll auch schon nachts 12 Uhr von einem Manne beobachtet worden sein. Merkwürdig ist auch, daß an der Stelle, wo der Schatz vergraben wurde, und das Hündchen seinen Wachdienst versieht, im Winter kein Schnee liegen bleibt. Sollte es jemand wagen, das Gold zu holen, so könnte es einen unliebsamen Zusammenstoß mit dem schwarzen Hüter absetzen, dessen Ausgang jedem klar sein dürfte. Man nennt den Schloßbühl auch Teufelshofstatt. Woher der Name kommt oder wie er gedeutet wird, kann nicht ermittelt werden. Es sei denn, daß er mit der obigen Sage verknüpft ist, und der Teufel in Gestalt eines Hündchens als Hüter des Hortes gedacht ist. Der See im Braunhörnle Zwischen Rohrhardsberg und Tafelbühl schiebt sich das Braunhörnle in nördlicher Richtung gegen das Tal vor, so daß es durch seinen steilen Abhang den oberen Teil des hinteren Zinkens in den Rauchengrund (Nördlich des Tafelbühl) und den Tränklesgrund und das wüste Loch (Nordwestlich des Rohrhardsberges) teilt. Mit seiner Höhe von 1136 m ist es eine der höchsten Erhebungen, über welche die Gemarkungsgrenze zieht. Die Gegend ist außerordentlich wasserreich und hat viele Quellen. Da selbst in den trockensten Jahren noch nie ein Brunnen zurückgeblieben ist, nimmt man an, daß im Innern des Berges ein See verschlossen liege. An irgendeiner Stelle, die bisher noch niemand entdeckte, befindet sich ein Ring. Wer daran ziehe, öffne den Abfluß des Sees und setzte damit das ganze Tal unter Wasser. Es könnte so ungeheurer Unheil angerichtet werden. Verstärkt wurde diese Meinung durch einen Mann, der sich kurze Zeit in diesem Zinken aufhielt und von der Bevölkerung als Naturforscher angesehen wurde. Er scheint Wünschelrutengänger gewesen zu sein und nach Naturschätzen gesucht zu haben. Auch als Wettervorhersager hat der Berg seine Bedeutung. Steigt am Morgen dichter Nebel auf, rechnet man, daß es noch am selben Tage Regen geben wird. Bei Regenwetter selbst hüllt er sich in dichte Wolken ein.) Was ein Volk an Sagen und Geschichten über die Jahrhunderte hinweg aufbewahrte, ist Ausdruck der geistigen und seelischen Haltung gegenüber den außerirdischen Kräften und Mächten, die das Leben der Menschen und der Natur beeinflussen und deshalb das Gemüt zutiefst bewegten. Es wäre schade, wenn das alte Sagengut für immer der Vergessenheit anheimfiele.
1) Alle drei Yacher Sagen aufgezeichnet von Meinrad Steinhart, Oberlehrer in Yach von 1925 bis 1947 |